Sonntag, 6. Dezember 2015

Am Limit auf dem Vulkan Maderas

Wer meinen letzten Post gelesen hat, weiß bereits, dass ich mit drei anderen Freiwilligen nach Nicaragua gereist bin und dort ein paar Tage auf der Insel Ometepe verbracht habe. Diese liegt im Lago de Nicaragua und besteht  aus zwei Vulkanen: dem aktiven Vulkan Concepción und dem etwas kleineren und inaktiven Vulkan Maderas. Auf dem Weg dahin wurde uns, noch auf dem Festland, angeboten, für 25USD pro Person den Vulkan Maderas zu besteigen. Diese Wanderung soll landschaftlich schöner sein als die auf den anderen Vulkan. Der Vulkan Maderas ist 1394m hoch und uns wurde gesagt, dass man für die 12km lange Strecke herauf und wieder herunter gut 8 Stunden brauche. Das war eine Ansage, aber wir dachten, dass sollte doch zu schaffen sein und wird bestimmt cool.

Wir mussten also am nächsten Tag mal wieder muuuuy temprano (sehr früh) aufstehen, weil wir um 5 Uhr von unserem Hostel abgeholt wurden, um zu dem Vulkan auf der anderen Seite der Insel zu fahren. Dort angekommen haben wir erst einmal gefrühstückt: Gallo Pinto (Reis und Bohnen). Dieses Gericht gehört nicht nur zu der costa-ricanischen, sondern auch zu der nicaraguanischen Landesküche.

Kurz nach 7 Uhr ging es mit unserem Guide los, vollbepackt mit 4l Wasser, Bananen, Studentenfutter, Reiswaffeln und Dosenmais (ich weiß, eine ungewöhnliche Kombination). Das erste Stück war „semiplano“ (halb flach), wie unser Guide es nannte, und wir liefen an Reisfeldern vorbei zwischen Wiesen und Gestrüpp und über ein paar Steine hinweg. Das wäre gar kein Problem gewesen, wenn der Boden nicht so schlammig und rutschig gewesen wäre, dass wir bei jedem Schritt aufpassen mussten, nicht hinzufallen. Richtige Wanderschuhe hatte leider keiner von uns.

Nach 2km machten wir eine kurze Pause. Schon hier, nach dem leichten Stück, klebte mein T-Shirt vor Schweiß und wahrscheinlich wegen der hohen Luftfeuchtigkeit an mir. Wir konnten nicht glauben, dass wir noch so viel vor uns hatten und es erst jetzt richtig schwierig werden würde. Wir haben ein wenig verschnauft und den beeindruckenden Blick auf den anderen Teil der Insel mit dem Vulkan Concepción genossen.

Während es den anderen Mädchen nach der Pause schwer fiel, wieder loszulegen, hatte ich neue Energie getankt und bin vorweggegangen. Mittlerweile wanderten wir durch den kühlen, dichten Nebelwald auf einem unbefestigten Pfad. Überall war Geröll, die Wurzeln von Bäumen dienten als Stufen und es war auch hier verdammt matschig. So hatte ich mir das nicht vorgestellt! Ich hatte mit einem einigermaßen befestigten Weg gerechnet. Umschauen und die Umgebung genießen war nicht drin, ich starrte nur auf den Weg vor mir und versuchte, mich auf jeden meiner Schritte zu konzentrieren, damit ich bloß nicht hinfiel. „Wenn ich  mir hier etwas tue, dann verrecke ich bestimmt“, habe ich gedacht, denn mit einem Auto oder Ähnlichem kommt man nicht durch den dichten Wald und auch ein Rettungshubschrauber hat dort keine Chance zu landen. Ich krallte mich an jedem Baum am Wegesrand fest und verfluchte mich dafür, keinen der Wanderstöcke genommen zu haben, die unser Guide uns am Anfang angeboten hatte.  

Nachdem wir 3 Stunden gewandert waren, hatten wir erst 3km hinter uns. Ich war fassungslos. Wie konnte das sein?! Es fühlte sich wie 10 an! Unser Guide sagte, dass wir umkehren würden, sollten wir um 12 Uhr noch nicht oben angekommen sein, weil wir vorm Sonnenuntergang, um etwa 17:30, wieder zurück sein mussten. Das war vernünftig, denn im Dunkeln wären wir sicher nicht lebend herunter gekommen! Einerseits hatte ich keine Lust mehr, weil es verdammt anstrengend war, ich Angst hatte, hinzufallen und mich zu verletzten und sich der Weg so lang zog, aber andererseits hatte mich der Ehrgeiz gepackt. Ich hatte mir vorgenommen, diesen Vulkan zu besteigen, da konnte ich auf keinen Fall aufgeben. Allerdings muss ich zugeben, dass ich die Hoffnung, es bis auf die Spitze zu schaffen, schon fast verloren hatte.

Der Pfad wurde immer unwegsamer. Er war jetzt „muy inclinado“ (sehr steil) und wir mussten richtig klettern und über umgekippte Bäume steigen. Die Hände zu benutzten war unausweichlich. Die Absätze gingen mir häufig bis zur Brust. Ich versuchte immer am Rand des Weges noch eine „Stufe“ für einen der Füße zu finden und zog mich dann mit den Händen nach oben. Beim ersten Mal dachte ich noch daran, dass sie ganz schmutzig werden, aber mit der Zeit war es mir egal und ich wischte meine glitschigen, dreckigen Hände einfach an meiner Kleidung ab. Auch meine Schuhe waren schon lange von einer dicken Schicht Matsch bedeckt. Bei den schlimmsten Stellen des Weges war ich leider zu beschäftigt, um Fotos zu machen. Unterhalten haben wir uns auch nicht mehr, abgesehen von „Wie bist du da hoch gekommen?!“ oder „Vorsicht, da ist es besonders rutschig“.

Nach sechs Stunden hatten wir es irgendwie geschafft und waren endlich auf der Spitze. Das Herz schlug mir heftig gegen den Brustkorb, ich keuchte. Wir waren alle erschöpft und belohnt wurden wir mit einer Mittagspause am schwindelerregend steilen Hang und einer dichten Nebelfront, die uns die Sicht auf die Lagune im Inneren des Vulkans versagte. Dankbar verschlang ich meine teilweise schon matschigen Bananen und ein paar Reiswaffeln, während unser Guide nicht einen Bissen zu sich nahm!

Ob wir noch zu dem Kratersee wollten, fragte der Guide danach, und zeigte den Abhang hinunter ins Nichts. Da mochte ich eigentlich nicht herunter klettern, aber nun waren wir schon einmal da und konnten das nicht auslassen. Also machten wir uns, nachdem wir uns etwas erholt und gestärkt hatten, an den Abstieg ins Innere des Vulkans. Es war wirklich steil, der Weg bestand aus großen Steinen, war extrem schmal und von Sträuchern umgeben. Ich bin ganz vorsichtig und halb auf den Po herunter gekraxelt, um nicht hinzufallen.

Im Krater hatten wir dann doch noch Sonnenschein und konnten uns einen Moment an der Lagune hinsetzten. Zum Baden hatten wir leider keine Zeit.

Danach ging es wieder hoch, aus dem Krater heraus und dann begann der Abstieg. Nun mussten wir diesen Weg wieder herunter laufen und das möglichst schnell, denn wir hatten nur noch 3,5 Stunden bis zum Sonnenuntergang. Meine Motivation ging gegen null und ich hatte große Angst hinzufallen. Am Anfang als wir klettern mussten, lief es ganz gut, aber später war es immer schlammiger und rutschiger. Ich klammerte mich wieder an jedem Stamm oder Ast fest, den ich zu greifen bekam und trat nun auch einfach in den Matsch hinein. Meine Schuhe waren ohnehin schon dreckig. Unser Guide wurde immer besorgter (und ich glaube auch genervt), weil wir ja vorm Sonnenuntergang zurück sein mussten. Sowohl mein Körper als auch mein Geist  wurden immer erschöpfter. Meine Knie taten weh und meine Konzentration ließ nach. Dadurch rutschte ich häufiger aus. Meistens konnte ich mich noch abfangen, aber ein paar Mal schaffte ich das nicht und landete auf dem Po. So ging es auch den anderen. Die Stimmung wurde angespannt, wir hatten alle keine Lust mehr und wollten nur noch ankommen, aber auch der Abstieg erschien endlos. 

Als wir endlich das halbflache Stück erreicht hatten, fing die Sonne an unterzugehen. Wir schafften es tatsächlich, mit den letzten Sonnenstrahlen von unserer Wanderung zurückzukehren, 10 Stunden und 25 Minuten nachdem wir am Morgen aufgebrochen waren.
Vulkan Maderas
Vulkan Concepción

Während wir auf das Auto warteten, das uns zurück zum Hostel bringen sollte, legten wir uns, von ein paar Glühwürmchen umgeben, auf den Steinboden und ich schwöre, der Boden hat sich noch nie so gemütlich angefühlt!

Der Muskelkater am nächsten Tag hielt sich zum Glück in Grenzen, nur beim Treppensteigen merkte ich meine Oberschenkel. Ich war wirklich stolz, diesen Vulkan „bezwungen“ zu haben, aber das muss ich so schnell nicht wieder machen! Weiterempfehlen würde ich diese Wanderung nur für Leute mit Abenteuerlust, Wandererfahrung und geeignetem Schuhwerk.

1 Kommentar:

  1. Alle Achtung! Und GLÜCKWUNSCH! Ihr könnt stolz auf euch sein! Ich glaube, ich wäre umgekehrt...

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